Fresh Expression Schweiz

Ein schönes Beispiel von Kirche die zu den Menschen hingeht, gelesen im reformiert.info.

Ein Pfarrer reinigt Schuhe im Einkaufszentrum und führt Gespräche mit den Leuten. Das löst bei vielen Passanten Erstaunen aus (Bild: Stefan Walter)
Ein Pfarrer reinigt Schuhe im Einkaufszentrum und führt Gespräche mit den Leuten. Das löst bei vielen Passanten Erstaunen aus (Bild: Stefan Walter)
Erstellt: 11.09.2013 13:37:06
Was auf einer Kirchenbank so alles geredet wird
Kirchenbanking/ Mit einer spektakulären Aktion tritt die Kirche in Stäfa in nahen Kontakt mit den Leuten. Dabei entstehen ganz besondere Begegnungen.
Ein Pfarrer, der vor einem kniet. Und der sogar noch die Schuhe putzt – so etwas gibts doch nicht! In Stäfa derzeit schon. Pfarrer Rolf Kühni legt sich mächtig ins Zeug. Im Rahmen der Aktion «Kirchenbanking» reinigt er Passanten die Schuhe. Vor der Migros, am Wochenmarkt, in der Quartierstrasse oder vor einem Café. Die Menschen, die in den Genuss dieses Dienstes kommen, sitzen in einer uralten Bank aus dem Jahr 1688, die normalerweise in der Stäfner Kirche aufbewahrt ist. Nun aber steht sie vom August bis zum Oktober an verschiedenen Orten in der Gemeinde. Einige Leute sind von der Aktion amüsiert, andere fast etwas peinlich berührt. «So sauber geputzte Schuhe hatte ich noch gar nie», meint eine Mutter mit Kind schelmisch, als sie das Pfarrerswerk nach getaner Arbeit begutachtet.
Fragen. Das Schuheputzen ist natürlich nicht blosser Selbstzweck. Die Kirche in Stäfa sucht damit den direkten Kontakt zu den Menschen. «Unsere Kirche steht nicht nur oben auf dem Kirchbühl-Hügel, sondern sie ist auch da, wo die Menschen tagtäglich sind, wo sie ihre Einkäufe erledigen, einen Kaffee geniessen», umreisst Kühni die Idee der Aktion. Sie ist ein Teil der Öffentlichkeitskampagne für das Dia­koniekonzept der Kirchgemeinde. Die Gespräche auf der mobilen Bank drehen sich dabei um viele Fragen: Was gefällt den Leuten an ihrem Wohnort, was nicht? Fühlen sie sich hier daheim? Haben sie in ihrem Umfeld Menschen, auf die sie zählen können, wenn es mal so richtig drauf ankommt? Und gibt es Momente, in denen sie sich einsam fühlen?
Nicht alle Menschen, die an diesem regnerischen Mittwochmorgen im Zentrum Goethestrasse einkaufen, lassen sich gerne auf solche Fragen ein. Viele Passanten werfen zwar äusserst gwundrige Blicke auf die Kirchenbank, bleiben aber auf vorsichtiger Distanz. Einige beschleunigen ihr Einkaufswägeli, um in Ruhe gelassen zu werden. Direkt Angesprochene haben schon mal eine passende Antwort bereit, warum es gerade eben nicht für ein kurzes Gespräch reicht: «Tschuldigung, keine Zeit. Muss noch zur Post.»
Andere aber lassen sich gern für wenige Minuten auf ein Gespräch ein. Manche Alteingesessene sind darunter. Seit 22, seit 31, ja gar seit 45 Jahren sind sie schon in Stäfa daheim. Auffallend, was fast allen an ihrem Wohnort besonders gefällt: «Der See!» Sodann sorgen auch die Sicht auf die Berge, die Reben rund ums Dorf für Wohlbefinden. Als negativ wird häufig «Steuern zahlen!» genannt. Oder auch die zunehmende Überbauung.
Wünsche. Auch bei persönlichen Themen werden Antworten nicht gescheut: «Der Glaube hilft mir in Momenten der Einsamkeit. Ich bin christlich erzogen worden», erklärt eine ältere Frau. ­Eine andere spricht von «Lebensqualitätsverbesserung dank dem Glauben», vom Trost, der ihr hilft, aus einem Tief herauszufinden.
Ein junger Künstler wünscht sich, dass die Menschen liebevoller miteinander umgehen, um die Gemeinde zu einem lebenswerteren Ort zu machen. Eine Frau findet, Stäfa solle darauf achten, dass die Gemeinde nicht nur auf den eigenen Wohlstand stolz ist. «Es gibt doch Tiefschichtigeres, was den Sinn des Lebens ausmacht. Etwa die Gemeinschaft.» Gerade in dieser Gemeinschaft, vor allem im kleinen, intimen statt im grossen landeskirchlichen Rahmen, erkennt ein Mann die Chance für die Kirche, näher an die Menschen heranzukommen.
Gehalt. Neben dem Schuheputzen werden bei der Kirchenbank eine Reihe anderer Aktionen durchgeführt. Pfarrerin Monika Götte hat ein grosses Herz aufgestellt, auf das die Menschen einen Glasstein kleben können, um so symbolisch ihren Teil an ein Gemeinschaftswerk zu leisten. Andere Mitarbeiter, Kirchenpflegemitglieder und freiwillige Helferinnen erzählen Geschichten und Legenden oder bieten Brot und Traubensaft an. Auch zu Brettspielen werden die Leute eingeladen, oder schlicht zu einer Tasse Kaffee. Die Gespräche stehen dabei immer im Zentrum der Begegnung. Erstaunlich, wie viel Gehaltvolles in den minutenkurzen Gesprächen zusammenkommt: über den Wert der Seelsorge, die Definition von Glück, die Probleme des Älterwerdens oder die Rührseligkeit von Weihnachten. Es scheint, als löse eine Kirchenbank mitten im Dorfgetümmel so manche Zunge. Stefan Schneiter

Kirche im AufbruchDie Idee mit der wandernden Kirchenbank ba­siert auf dem Ge­dankengut der Aufbruchbewegung «Fresh Expressions of Church». In England begann ab 2004 die ang­likanische Kirche, nach neuen Ausdrucksfor­men des kirchlichen Lebens zu suchen. Zu diesen neuen Formen zäh­len etwa auch Werktags- und Nacht­kirchen sowie Gottesdienste im Fitnesscenter oder am Surfstrand.

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