Dreimal - Text für Trauernde

Dreimal
Marie Luise Kaschnitz


Dreimal ging die Witwe übers Ödland,

Da war kein Frühling, kein Sommer, kein Herbst noch Winter.

Mitten im Ödland saß ihr Mann, ihr Liebster,

Und das erste Mal kniete sie nieder, umfing seinen Schoß,

Sagte, wir haben die Kürbisse eingelegt

Sauer und süß. Wir sammeln die ersten Nüsse.

Die Kinder schreiben das A und das O,

Leb wohl, und der Tote nickte.



Dreimal ging die Witwe übers Ödland.

Da war kein Tag, keine Nacht, kein Morgen noch Abend.

Mitten im Ödland saß ihr Mann, ihr Liebster,

Und das zweitemal legte sie ihm ihre Hand auf die Brust,

Sagte, ein Schnee ist gefallen, die Fenster blühn,

Der Igel hält seinen Winterschlaf,

Die Kinder backen Monde und Sterne.

Leb wohl, und der Tote nickte.



Dreimal ging die Witwe übers Ödland,

Da war kein Wasser, kein Feuer, keine Luft noch Erde.

Mitten im Ödland saß ihr Mann, ihr Liebster,

Und das drittemal sah sie ihn an, berührte ihn nicht.

Sagte, wir haben die Beete abgedeckt,

Die Erde in unserem Garten ist schwarz und fett,

Die Kinder verbrennen den Winter.

Leb wohl, und der Tote nickte.



Zum anderenmal ging die Witwe, fand das Ödland nicht mehr.

Hoch stand das Gras, verwachsen starrten die Hecken,

Margeriten blühten und Rosen, die Sichel ging.

Leb wohl, und die Sonne nickte.



Trauer, Witwe, Witwer, Sterben Tod

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