Jenseitsvorstellungen

1. Die Jenseitsvorstellungen des Hinduismus

Jedes Wesen, das auf der Erde lebt, besteht aus einer rein geistigen Seele (Jiva) und einem stofflichen (materiellen) Leib. Die Seelen existieren seit anfangloser Zeit und nehmen je nach ihrem Karma (vollbrachte Taten) immer neue Leiber an. Die Seele als solches ist unsterblich, der Leib jedoch ist sterblich. Das in allen Dingen und Wesen waltende ewige Gesetz (Dharma) ist zugleich natürliche wie sittliche Weltordnung. Das Dharma ist das höchste und letzte Prinzip, das in allem waltet und über alles herrscht. Auch die Götter unterstehen ihm und gelten wie die Menschen als "vergänglich" und der Karma-Wiedergeburt unterworfen. Dieses Weltbild ist in letzter Konsequenz als "atheistisch (gottlos)" anzusehen. Einige Schulen des Hinduismus glauben jedoch an einen personalen Gott, dieser ist jedoch nicht Lenker der Welt, sondern nur ein Vollstrecker des Dharma.

Die Lehre vom Karma und der damit verbundenen Seelenwanderung ist eines der zentralen Glaubensinhalte der Hindus. Das Ziel eines jeden menschlichen Lebens ist die Sicherung einer guten Wiederverkörperung durch gute Taten. Da aber alle Existenzen in den Weltuntergängen ein Ende finden, ist jede Existenz, auch die Götter, zeitlich "begrenzt". Wer als Weiser so die Hinfälligkeit und Vergänglichkeit alles irdischen Daseins erkannt hat, strebt daher nach ewigem Heil.

Die unterschiedlichen Schulen im Hinduismus vertreten auch unterschiedliche Meinungen bezüglich der Erlösung. Der Mensch kann nicht aus eigener Kraft die Erlösung aus der Wandelwelt erreichen, es bedarf der Gnade Gottes, die in gläubig liebender Ergebenheit und im vertrauensvollen Sich-Verlassen gewonnen werden kann. Der Mensch kann allerdings auch etwas dazu tun, um erlöst zu werden. Manche Schulen glauben, dass die Erlösung erst mit dem Tode möglich ist, andere sehen eine Möglichkeit der Erlösung bereits im irdischen Dasein durch intensive Meditation und Askese (völlige Enthaltung).

(nach Peter Delius (Hrsg.): Weltreligionen, Könemann Verlagsgesellschaft, Köln, 1997)

2. Die Jenseitsvorstellungen des Buddhismus

Der Mensch im Buddhismus gilt als etwas Seelenloses und nicht Wesenhaftes. Er ist eine Zusammenballung von Daseins-faktoren (Dharmas). Diese Daseinsfaktoren werden in fünf Gruppen eingeteilt:

Körper; Empfindungen; Wahrnehmungen; Triebkräfte; Bewusstsein

Im Buddhismus gibt es daher kein "Ich". Jedes Leben bedeutet im Buddhismus Leiden, da es Krankheit, Alter und Tod unterworfen ist. Der Mensch bildet kein einheitliches Ganzes, sondern eine Kombination von Einzelbestandteilen, die sich immer wieder verbinden, lösen und neu verbinden. Daher besitzt der Mensch auch keine unsterbliche Seele (ein Selbst), die beim körperlichen Zerfall unberührt bestehen bliebe. Der Mensch ist daher dem stetigen Werden und Vergehen ausgesetzt, wobei jedoch die Einzelfaktoren einer strengen Gesetzmäßigkeit unterworfen sind. Durch die Kooperation der Daseinsfaktoren entsteht überall der Schein der Einheitlichkeit, wie etwa beim Menschen der eines "Selbst". Der ständige Strom der Daseinsfaktoren wird auch durch den Tod nicht unterbrochen. Sie wirken über den Tod des konkreten "Individuums" hinaus und schaffen in neuen Kombinationen die Grundlage für die Existenz eines neuen "Individuums". Im Buddhismus gibt es also keine Seelenwanderung wie im Hinduismus, sondern eine echte Wiederverkörperung, da es im Buddhismus keine Seele im klassischen Sinne gibt.

Ziel eines jeden Buddhisten ist es dem Leiden und damit der Wiedergeburt zu entfliehen und ins Nirwana, eine Art Paradies oder Himmel, zu kommen. Der Buddhismus kennt daher auch keine Angst vor dem Tod, da der endgültige Tod ja den Eingang ins Nirwana bedeutet, sondern nur die Angst vor dem Wiedergeboren werden. Durch gute Taten kann eine gute Wiedergeburt erfolgen, durch schlechte Taten erfolgt eine schlechte Wiedergeburt. Im Buddhismus ist allerdings die geistige Einstellung des Handelnden am wichtigsten. Was wir frei von Begehren, Hass oder Verblendung tun, wirkt sich positiv aus; das Handeln ohne Begierde auf Erfolg, ohne den Wunsch, jemanden zu schaden, und ganz allgemein das nur von der Vernunft geleitete Handeln fördern die Erlösung. Alles jedoch was mich durch "Mein" und "Ich" ans Dasein bindet (Materialismus, Habsucht, Gier) schadet der Erlösung. Dieser Mensch wird auch als "Unwissender" bezeichnet, da er die Leidens-Zusammenhänge der Welt nicht erkannt hat.

Das individuelle Leben eines Buddhisten ist von Anfang an auf den Tod hin angelegt und wird vom Leiden beherrscht. Die "Nicht-Sterblichkeit" bzw. der Zustand der Erlösung meint im Buddhismus kein Fortdauern der individuellen Existenz, sondern die Überwindung der Individualität (Selbstverleugnung).

(nach Peter Delius (Hrsg.): Weltreligionen, Könemann Verlagsgesellschaft, Köln, 1997)

3. Die Jenseitsvorstellungen des Judentums

Der Mensch wurde nach jüdischen Vorstellungen nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Der Mensch soll sich als "Partner Gottes" in der Welt einsetzen, indem er gemäß den moralischen Gesetzen Gottes handelt. Als Ebenbild Gottes, wird er von Gott geliebt und soll zum Heil geführt werden. Das Judentum kennt keine "Erbsünde" des Menschen.

Trotz der Allmächtigkeit und Allwissenheit Gottes ist der Mensch für seine Taten verantwortlich. Er ist frei etwas zu tun oder zu lassen. Allerdings finden die Rechte des einzelnen ihre Schranken in den Rechten der anderen (z.B. jeder hat das Recht zu leben, ich darf ihn nicht töten, weil ich es gerade will). Der Mensch soll nach den göttlichen Geboten leben, eine Aufruhr gegen diese Gebote und die göttliche Ordnung ist Sünde. Sünde ist für das Judentum eine Erniedrigung der wahren Natur des Menschen. Der Mensch wird an seinen Taten erkannt, gemessen und gerichtet.

Das Judentum glaubt an einen gerechten Gott, aber auch an einen Gott als Richter. Die Gerechten werden ein Leben nach dem Tode in Verbindung mit Gott haben. Manche Juden verstehen diese Auferstehung als eine leibliche Auferstehung, ein Wohnen im Lande der Verheißung. Nüchternere Tendenzen konzentrieren sich jedoch auf die rein geistige Auferstehung. Auferstehen werden nur Gerechte, keine Sünder oder Verdammte, wie z.B. Überhebliche, Unwissende und solche, die die Auferstehung leugnen.

Der Glaube an einen Messias, der kommen wird, um alle Menschen zu erlösen, sie vom Leiden und vom Bösen zu befreien, ist das Herzstück des jüdischen Glaubens. Der gläubige Jude kann daher auch als "hoffender Mensch" bezeichnet werden. Sünder hoffen daher auch auf das Kommen des Messias, um erlöst zu werden und damit ein Leben nach dem Tod führen können.

Der jüdische Glaube an einen Messias ist nicht wie im Christentum auf eine historische Gestalt (Jesus Christus) hin angelegt. In den jüdischen Schriften hat der kommende Messias verschiedene Namen. Der Messias der Christen kennt nur einen Namen: Jesus Christus.

(nach Peter Delius (Hrsg.): Weltreligionen, Könemann Verlagsgesellschaft, Köln, 1997)

4. Die Jenseitsvorstellungen des Christentums

Der Gottesbegriff des Christentums, des Judentums und auch des Islam weisen starke Gemeinsamkeiten auf. Das liegt daran, dass das Alte Testament die Schrift des Judentums ist, aber auch in die christlichen Schriften mit aufgenommen wurde, und der Koran, die Schrift des Islam, als Grundlage das Alte Testament hatte.

Das Gottesbild des Christentums wird von der Trinität (der Dreieinigkeit) bestimmt. Es gibt einen Gott in drei Erscheinungsformen: als Vater, als Sohn und als Geist.

Gott ist der Schöpfer von allem, auch des Menschen, dem er sich gezeigt hat. Er hat mit den Menschen einen Bund geschlossen, er hat dem Menschen seine Gebote verkündet und ist der Herr der Geschichte und des Gerichtes. Der Mensch selbst besteht aus Geist (Seele) und Leib.

Das Christentum betont die Freiheit des Menschen, die auch zur Wahl des moralisch Schlechten führen kann. Der Mensch hat also die Freiheit sich von Gott abzuwenden, weshalb der Gedanke der Sündigkeit des Menschen im Christentum eine große Rolle spielt. Als einzige monotheistische (nur ein Gott) Religion verbindet das Christentum das Böse in der Welt seit dem Sündenfall von Adam und Eva im Paradies mit dem Gedanken der "Erbsünde". Jesus Christus kommt damit die ultimative Erlöserrolle zu, da durch Missbrauch der menschlichen Freiheit Unordnung und Leiden in der Welt entstanden sind. Durch die Erbsünde sind alle Menschen erlösungsbedürftig - daher gilt die Heilstat Jesu Christi in seiner Menschwerdung (Inkarnation) auch für alle Menschen. Aber auch im Christentum sind die Menschen aufgerufen selbst etwas für ihr Heil zu tun. Im Sinne der Bergpredigt soll ein Mensch den anderen lieben, ihm verzeihen und ihm Gutes erweisen, da man Christus selbst im Nächsten begegnen kann.

Auch das Christentum glaubt an die Unsterblichkeit der Seele aber verschärft dazu auch an die leibliche Auferstehung nach dem Tode. Christi Opfertod gilt als Voraussetzung für das Heil des Menschen, wenn er um das Geschehen weiß. Für die Kirche ist Rechtgläubigkeit eine Voraussetzung für die Erlösung, also Übereinstimmung des Gläubigen mit den Lehren der Kirche. Hier gibt es jedoch einen kleinen Unterschied zwischen den Protestanten und den Katholiken. Im protestantischen Sinne ist der Mensch vollkommen von der göttlichen Gnade abhängig, um zum Heil geführt zu werden. Ohne die göttliche Gnade vermag der Mensch nichts zu tun. Die Katholiken sehen die Gnade Gottes zwar als Voraussetzung für das Heil, aber jeder Mensch kann selbst etwas für sein Heil tun.

Die Christen sehen Gott als gerechten Richter, der die taten der Menschen abwägt. Er belohnt die Gerechten und bestraft die Sünder. Die endgültige Vergeltung der im Leben begangenen Taten findet erst nach dem irdischen Leben statt. Die Gerechten gehen ins ewige Leben ein, eine Art Paradies, wo man in Gottes Angesicht blickt, mit ihm zusammen am Tische sitzt und mit ihm herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit (Mt. 19, 28). Die im Zustand der Todsünde Gestorbenen kommen nach dem Tod in die Hölle, und zwar für ewig. Sie erleiden dort dreifache Strafe: den Verlust des Anblickes Gottes, die Empfindung der (Körper-)Qualen und die ständige Selbstanklage durch das eigene Gewissen. Die Auferstehung der Toten dagegen ist eine leibliche; der auferstandene Leib gilt als makellos und unverweslich.

(nach Peter Delius (Hrsg.): Weltreligionen, Könemann Verlagsgesellschaft, Köln, 1997)

5. Die Jenseitsvorstellungen des Islam

Islam bedeutet "Hingabe an Gott". Die jüngste der Weltreligionen betont als kompromissloser Monotheismus die Einzigartigkeit Allahs und das Hineinwirken Gottes in das tägliche Leben der Menschen. Der Koran gilt als ewige und umweglose Offenbarung Gottes, die dem Propheten Mohammed, dem Vorbild des gottgefälligen Lebens, vom Erzengel Gabriel überbracht wurde.

Der Glaube an den einen und einzigen Gott Allah ist das Herzstück des Islam. Der Muslim gibt sich diesem Gott vorbehaltlos hin und verehrt ihn bis zur bedingungslosen Unterwerfung unter seinen Willen und Ratschluss. Den Menschen erschuf Gott aus Erde bzw. Lehm. Auch im Islam gibt es die Vorstellung einer Seele im klassischen Sinne. Alles dem Menschen widerfahrene ist von Gott vorherbestimmt. Dabei darf jedoch auch hier die Verantwortlichkeit der Menschen nicht vergessen werden. Jedes Werk wird von Gott im Menschen geschaffen, aber der Mensch stimmt diesem Werk zu und übernimmt es für sich in einer "Aneignung", was ihm das Gefühl der Freiheit verleiht.

Der Hauptfeind des islamischen Gottesbegriffs ist der Polytheismus (Verehrung mehrerer Götter). Jesus wird im Koran verehrt, allerdings nicht als Sohn Gottes, sondern vielmehr als Prophet. Die christliche Vorstellung des Gottessohnes Jesus Christus ist für den Islam im Prinzip auch ein "verkappter Polytheismus".

Der Glaube an den Jüngsten Tag und an Allahs strenges Gericht über das irdische Leben und Handeln der Gläubigen bildet ein wesentliches Moment des Islam. Der Tod bedeutet für die Muslime die Trennung von Leib und Seele, wobei spezielle Todesengel (Diener Gottes) die Seele des Menschen zum Himmel geleiten. Das Endgericht, als "große Katastrophe" bezeichnet, wird ähnlich martialisch und farbig dargestellt wie in der Johannes-Apokalypse des Christentums. Das Gericht Gottes zitiert die in Büchern festgehaltenen Taten des Menschen und hält sie diesem vor. Danach verkündet Gott allein das Urteil und scheidet die Erlösten von den Verdammten. Sowohl die Qualen der Hölle als auch die Freuden des Paradieses werden sehr sinnlich und drastisch ausgemalt. Bei der Anrechnung der guten Taten zählt nicht der Glaube allein, sondern auch seine praktische Äußerung, also die Verbindungen von Glauben und geleisteten guten Werken. An mehreren Stellen erwähnt der Koran die Überfülle an Speisen und sinnlichen Genüssen im Paradies. Die Anschauung Gottes wird allerdings nur für einige von Gott erwählte Gläubige und auch immer nur für einige Augenblicke möglich sein.

(nach Peter Delius (Hrsg.): Weltreligionen, Könemann Verlagsgesellschaft, Köln, 1997)

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