Zivildienst in Chiles Armenvierteln

Seit anfangs Mai leistet Samuel Waldburger in einem Kulturzentrum einer ärmlichen Vorstadt von Concepcion in Chile seinen Zivildienst. Wie es dazu kam, berichtet Samuel im folgenden Artikel.
Ich bin 21 Jahre alt und habe dieses Jahr die Schule mit der Matura abgeschlossen. Statt wie die meisten meiner Kollegen sich damit abzufinden, Militärdienst zu leisten, reichte ich am 1. Oktober 1996, am Tag der Inkrafttretung des Zivildienstgesetzes, mein Zivildienstgesuch ein. Im Gesuch bewies ich, dass ich aufgrund meines Lebenslaufes aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten kann. Nach einer Befragung im Amt für Zivildienst des BIGA wurde ich für den Zivildienst zugelassen.
Dieses Jahr kann ich meinen ersten Einsatz leisten. Mir ist wichtig, dass ich mit meinem Einsatz einen Einblick in ein Berufsfeld bekomme, in dem ich mir meine berufliche Zukunft vorstellen könnte. Entwicklungszusammenarbeit hat mich schon immer fasziniert. Einen Einsatz in einem Land einer mir fremden Kultur war mein Wunsch. Vom Amt für Zivildienst gibt es jedoch für einen Auslandeinsatz genaue Bedingungen. Entweder muss man eine abgeschlossene Berufsausbildung haben und sich über umfassende Erfahrungen in diesem Beruf ausweisen können, oder man muss nachweisen, dass man mit der Kultur dieses Landes vertraut ist. Das heisst, man muss mindestens ein Jahr dort gelebt haben oder aber mindestens ein Elternteil muss vom Einsatzland stammen.
Ich habe keine Berufsausbildung, habe immer in der Schweiz gelebt und meine Eltern sind Schweizer. Meine Mutter ist aber in Argentinien geboren. Bis zu ihrem 20. Lebensjahr hat sie in Chile gelebt. Ihre Eltern und ihre beiden Geschwister leben immer noch in Chile. Von Anfang an war für mich klar, dass ich meinen ersten Einsatz in Chile leisten will.

Keine gute Ausbildung
Als weitere Bedingung für einen Auslandeinsatz muss der Arbeitgeber eine gemeinnützige Organisation aus der Schweiz sein. Also begann ich, alle Schweizer Entwicklungsorganisationen anzufragen, ob sie Projekte in Chile hätten. Bei «terre des hommes schweiz» wurde ich fündig. Die terre des hommes unterstützt in Concepcion, Chile, ein Kulturzentrum. Das «Centro Cultural Los Copihues» steht in einer Vorstadt der zweitgrössten Stadt Chiles. Die Menschen leben in ärmlichen Verhältnissen. Die dort aufgewachsenen Jugendlichen haben keine Chance auf gute Ausbildung oder Arbeit, die Schulen sind schlecht. Durch die Zukunftslosigkeit sind viele gefangen in Lethargie und Inferiorität. Das Kulturzentrum möchte Jugendliche ausbilden und das soziale Klima der Vorstadt verbessern.
Weil ich schon lange Zeit Jugendarbeit mache, habe ich mich für diese Arbeit interessiert. Die zwei Leiter des Kulturzentrums Los Copihues waren einverstanden und stellten mich für sieben Monate an. Meine Aufgabe wird es sein, die Jugendlichen zu motivieren und sie zu fördern. Ich soll zusammen mit formellen und informellen Gruppen ein ökologisches Konzept erarbeiten. Wir werden ein Recyclingsystem entwickeln und die Vorstadt vom Abfall zu säubern versuchen.
Meine Ausbildung beschränkt sich nicht auf die Matura. Seit 14 Jahren bin ich in der Pfadi tätig. Lange Zeit war ich Leiter und habe drei Ausbildungskurse (Leiterkurs, «Animation mit zwischenmenschlichen Kompetenzen» und Wander- und Geländesport) besucht, heute organisiere ich noch Lager und Werbeaktionen. Ich habe gelernt, mit Kindern und Jugendlichen umzugehen und sie gezielt zu fördern. Für meine Aufgabe in Chile habe ich ein Ausbildungsseminar der Cinfo (Informationszentrum und Beratungsstelle für Berufe im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe) besucht. In 5 Tagen habe ich viel gelernt über interkulturelle Kommunikation, Konfliktmanagement und Entwicklungszusammenarbeit.

Villa Nonguän, Concepcion, Chile: Eine Annäherung
In Villa Nonguän einer Vorstadt von Concepcion, der zweitgrössten Stadt Chiles, leben 20000 Einwohner. Die Bevölkerung von Villa Nonguän ist arm. Es gibt nicht viel Arbeit. Nur wenige pendeln in die Industriemetropole. Die meisten arbeiten im informellen Sektor, die Arbeitslosenrate ist hoch. Durch die Zweiteilung der chilenischen Gesellschaft haben Jugendliche von Villa Nonguän keine Chancen auf eine gute Ausbildung. Unter den zwei Klassen (hier scheint mir dieses Wort angebracht) gibt es praktisch keine Mobilität unter den Schichten. Keine Tellerwäscherkarrieren in Uhile.
Auf der einen Seite sind es diejenigen Menschen (die kleine Oberschicht und die breite Mittelschicht), die am glitzernden Wohlstand dieser Welt teilhaben können. Sie können sich alles leisten, auch wenn es nur auf Pump ist. Der Sog der Konsumwelt ist gross; so gross, dass die durchschnittliche Verschuldung ein Mehrfaches des mittleren Einkommens beträgt.
Auf der anderen Seite sind die Ausgeschlossenen. Die 28% der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze lebt, findet Arbeit vor allem im Kleinhandel.

Aus: http://www.armee-ade.ch/cms/index.php?option=content&task=view&id=156&Itemid=196
1998

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