Kommunikation der Eltern

Abgetakelter Superernährer

Interessanter Beitrag aus dem Tagi

Den vierten Beitrag unserer Best-of-Sammlung, der von Philippe Zweifel verfasste Artikel «Abgetakelter Superernährer», haben wir ausgewählt, weil er so toll zeigt, was Väter sind und was nicht vergessen gehen darf: Helden, müde Helden..

Wenn ich abends nach Hause komme, sagt meine Freundin nicht unbedingt «Hallo». Auch nicht «Wie wars im Büro?». Sie sagt: «Hier». Dann drückt sie mir den Kleinen in die Arme. Das ist okay, sie darf das. Immerhin hat sie ihn zehn Stunden unterhalten/gefüttert/geputzt. Jetzt ist sie Rocky nach der 15. Runde gegen Apollo Creed. Sie kann nicht mehr, will nur noch allein sein.

Doch halt! Auch ich habe im Büro schwere Tage. Nur, weil mein Computer keine Trotzanfälle hat, bedeutet das nicht, dass ich mich bei der Arbeit erhole. Schliesslich gibts dort einen Chef. Und vor allem: Verantwortung. Denn an die Arbeit gekoppelt, ist die Existenz meiner Familie. Man darf das nicht unterschätzen. Vor der Geburt unseres Sohns wusste ich nicht, was ein Albtraum ist. Heute träume ich regelmässig, wie ich gleichzeitig Job und Wohnung verliere. Dazu kommen Angst vor Krankheiten und ein melodramatisches Gefühl von drohendem Unheil, wenn ich ein Flugzeug besteige.

Allein, die wahre Last des Ernährers spielt sich im Kopf ab und ist schwer vermittelbar. So schluckt man seinen Protest herunter und dreht abends noch eine Runde mit dem Kinderwagen. Am Wochenende gehts dann mit dem ersten Hahnenschrei ins Naherholungsgebiet. Schliesslich ist jetzt Vaterzeit. Nicht, dass diese Ausflüge keinen Spass machen. Sehr sogar. Man ist stolz, erfüllt, von Liebe durchflutet. Ein zahnlückiges Lächeln des Kleinen – und die Batterien sind wieder aufgeladen.

Wäre da nicht diese fiese kleine Stimme in meinem Kopf. «Du wirst über den Tisch gezogen», sagt sie. Und schon bin ich ganz aufgeregt. Man denkt: Wo bleibt die Anerkennung für die Arbeit im Stollen? Der nötige Respekt für den Jäger, der mit stolzgeschwellter Brust das Essen nach Hause bringt? Ist nur ein richtiger Vater, wer den Feierabend im Sandkasten verbringt?

Damit es klar ist: Ich will nicht die Errungenschaften der Emanzipation schmähen. Frauen sollen arbeiten dürfen, so viel sie wollen, natürlich. Was mich beschäftigt, ist dieBewertung der Arbeit. Mit dem Aufstieg der neuen Väter, scheint mir, wurde nebenbei die Arbeit des Ernährers entwertet. Ein Vater auf dem Spielplatz ist: ein Held. Einer der arbeitet: eine Selbstverständlichkeit. Einer, der abends länger im Büro bleibt: eine Zumutung (lastet er seiner Frau doch Überstunden Babydienst auf).

Ja, wir modernen Eltern spotten über die klassische Rollenaufteilung, nennen sie archaisch oder hinterwäldlerisch. Mütter stürzen sich deshalb in eine Teilzeitarbeit und wir Vollzeit-Väter (Teilzeit arbeiten ist nach wie vor ein Privileg!) rennen jede freie Minute auf den Spielplatz, wo wir uns an einem Bier festhalten und uns gegenseitig zu unserer Fortschrittlichkeit gratulieren. Wo wir über Windeln und Kinderwagen fachsimpeln. Nichts ist dem neuen Vater peinlich, ausser: Eingestehen, dass man am Anschlag ist. Zugeben, dass man kein Superheld ist. Obwohl ich mir manchmal wie einer vorkomme. Einer von der abgetakelten Sorte. Mit Alkoholproblem und abgenutztem Kostüm, auf dem eine blasse Aufschrift steht: der Superernährer.

Was ist zu tun? Ich weiss es nicht. Sucht man nach Lösungen, landet man in der konservativen Ecke. Also weiterstrampeln. Oder?

(Erstpublikation am Dienstag, 6. Oktober, 2009)

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