Wenn Geld nicht glücklich macht

Ein tragischer Tod des Chef der erfolgreichen Bank Bär:


Alex Widmer verliess Nicole (14), Philippe (17) und Nathalie (18) für immerWie verzweifelt muss dieser Mensch gewesen sein!

  • Publiziert: 07.12.2008, Aktualisiert: 19.01.2012
  • Von Romina Lenzlinger und Guido Schätti

Mit seinem Selbstmord machte Alex Widmer drei Kinder zu Vollwaisen. Eine Spurensuche in der Welt des Topbankers.

Bis zum Frühling 2006 lebten sie in der besten aller Welten. Ihr Vater war einer der erfolgreichsten Banker der Schweiz, zusammen mit ihrer Mutter bewohnten sie eine Villa in Baden AG. Jetzt haben Nicole (14), Philippe (17) und Nathalie (18) den wichtigsten Halt im Leben verloren. Ihr Vater Alex Widmer (†52) erhängte sich in der Nacht auf Donnerstag. Ihre Mutter Vera (†48) war vor knapp drei Jahren an Krebs gestorben, kurz darauf starb auch Grossmutter Clara (†79).

Nun haben sie die engste Familie verloren. Die beiden Jüngeren sind im Internat, die älteste Tochter hat gerade die Schule gewechselt. Wie verzweifelt muss Alex Widmer gewesen sein, dass er seine Kinder alleine zurücklässt? «Unser einziger Gedanke gilt ihnen», sagt ein Freund der Familie. «Wir tun alles, um sie zu betreuen.» Dazu gehört auch professionelle Hilfe. Werden sie über die Tragödie hinwegkommen? «Ein solches Erlebnis», sagt Jugendpsychologe Allan Guggenbühl (56), «kann man nicht einfach verarbeiten und vergessen. Das wird die Kinder ihr Leben lang begleiten.»

Freitag dieser Woche an der Zürcher Bahnhofstrasse: Vor Börsenbeginn informiert die Bank Julius Bär über das Ableben ihres Chefs. Den Mitarbeitern verordnet sie Redeverbot. Spricht man Bär-Angestellte auf der Strasse an, stecken sie den Kopf in den Mantelkragen und eilen davon. Doch schon bald kursiert auf «20 Minuten Online» die Meldung: Der Banker hat sich umgebracht.

In der Bar Al Leone, gleich neben dem Bär-Hauptsitz, strecken die Banker die Köpfe zusammen. Die Meinungen sind gemacht: Widmer habe im Geschäftsleben keinerlei Rücksicht genommen. «Er war aggressiv und launisch. Bei ihm wusste man nie, woran man war», sagt ein Weggefährte.

Mit der Gelfrisur, der Zigarre im Mundwinkel und dem forschen Optimismus verkörperte Widmer das Klischee des aalglatten Managers. Doch der Doktor der HSG hatte andere Seiten. «Er war hoch professionell, ein guter Kollege», lobt ihn ein Topbanker. «Alex war ein Perfektionist, der beste Private Banker der Schweiz», sagt ein enger Bekannter. Er habe nicht nur von anderen viel gefordert, sondern auch sich selbst irrsinnig hohe Massstäbe gesetzt. «Letztlich war Alex ein Opfer der Finanzkrise», sagt er.

Der Zampano, der aus der verstaubten Bärenbank eine Geldmaschine machte, war in Wirklichkeit ein Zweifler. «In der Regel werden die Sensibelsten am härtesten getroffen», sagt der Freund. Widmer zeigte sich zuletzt ungewohnt skeptisch: «Auch das nächste Jahr birgt grosse Unsicherheiten für unser Geschäft», sagte er in einem Interview nur zwei Tage vor seinem Tod.

Auch privat hatte Widmer zwei Seiten. Die vier Garagen seiner Villa in Baden standen voller Luxuskarossen. «Schon beim ersten Gespräch hat er damit geprotzt», sagt ein Nachbar. Auch in Wilen bei Wollerau SZ, wo er mit seiner neuen Partnerin wohnte, unterhielt er einen stolzen Wagenpark.

Seinen Kindern versuchte Widmer aber stets ein guter Vater zu sein. Das Haus in Baden mit den vielen Erinnerungen an die Mutter behielt er auch nach deren Tod. Hier verbrachte er so viel Zeit wie möglich mit ihnen. «Den ganzen Sommer über feierten sie Partys», erinnern sich die Nachbarn.

Doch die Fröhlichkeit war aufgesetzt. Seit dem Tod seiner Frau, sagt ein Bekannter, habe sich Widmer Vorwürfe gemacht, er vernachlässige die Kinder. «Dies zerrieb Alex.» Widmer hatte zwar zwei Wohnsitze, doch richtig zu Hause war er nirgendwo.

Die Schlinge knüpfte er in der Villa in Baden. Dort, wo er noch mit seiner Frau die Kinder hatte aufwachsen sehen. «Es kommt oft vor», sagt Psychologe Guggenbühl, «dass ein Selbstmörder einer geliebten Person in den Tod nachgehen will.»
Selbstmord, Suizid, Geld, Reichtum, Sinn, Krise 

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