Pfarrer

Zum Pfarrberuf hier einige Gedanken aus dem hannoverschen Pfarrverein


Lieber Feuer und Flamme als Asche und Elend…

29. Mai 2011
Vom hilfreichen Umgang mit Belastungen in einem herausfordernden Beruf.
Referat von Dr. Andreas von Heyl auf dem Hannoverschen Pfarrevereinstag (14.3.2011).


(Der Referent hielt sein Referat als Powerpoint-Präsentation. Deren Texte wurden von ihm frei erläutert. Diese Texte finden Sie hier abgedruckt, in der Hoffnung, dass Sie selber genügend Phantasie haben werden, den Zusammenhang herzustellen. Buisman)

Pfarrer sein damals:
„Die Aufgabe des Pfarrers ist es, dass er das Reich Gottes mehrt, den Himmel füllt mit Heiligen, die Hölle plündert, den Teufel beraubt, dem Tode wehrt, der Sünde steuert; danach die Welt unterrichtet und tröstet einen jeglichen in seinem Stande, erhält Frieden und Einigkeit, zieht ein junges
Volk auf und pflanzt allerlei Tugend im Volk, kurz: eine neue Welt schafft er und baut nicht ein vergänglich elend Haus, sondern ein ewiges schönes Paradies, da Gott selbst gern drin wohnt.“ Luther,Auslegung zu Psalm 82, WA 31, 1. Abt. 199, 28f.

Pfarrer/in sein heute:

Die Zerstreuung und Zersplitterung im Berufsalltag. Pluraler Erwartungshorizont und zugemutete Rollenvielfalt, Arbeitszeit, Arbeitsvielfalt und Art der Aufgaben, 55- 60 Stundenwoche, häufige Abendtermine, Zerstückelung der Arbeitszeit, täglich vielfältiger Wechsel von Gattungen und
Adressaten der Arbeit (kaum Zeitinseln zum Umschalten), permanentes Blitzgewitter verschiedenster Anforderungen und Herausforderungen, viele davon emotional belastend, viele aber auch schlicht unterfordernd (die „Alltagswalze”)

Pfarrer/in sein heute:

Alltagswalze 1
  • 7.00 Erledigung eines dringenden dienstlichen Schreibens
  • 7.40 Fahrt zur Schule
  • 8.00-9.30 zwei Stunden Religionsunterricht halten
  • 9.50-10.15 Verbesserung der Beerdigungsansprache
  • 10.15-10.50 Fahrt quer durch die Innenstadt zum Krematorium
  • 11.00-11.30 Beerdigungsfeier
  • 11.45-12.45 Teilnahme am Leichenschmaus, Gespräche mit den Angehörigen
  • 13.15-14.00 Termin mit Handwerkern im Gemeindehaus
  • 14.00-15.00 Erledigung von Geschäftspost / Beschäftigung mit Sonntagspredigt
  • 15.00-16.00 Geburtstagsbesuch
  • 16.00-18.00 Konfirmandenunterricht
  • 18.00-19.00 Taufgespräch
  • 19.30-22.30 Kirchenvorstandssitzung
  • 22.30-23.30 Vorbereitung des Religionsunterrichtes für morgen

Pfarrer/in sein heute:

Alltagswalze 2 …
Schnell noch das Gemeindehaus aufsperren für die nächste Gruppe… ist auch geheizt? später nachschauen, ob alles in Ordnung ist … ohje! Im Klo hat einer aber ganz schön geschweinigelt – na, das mach ich selber schnell weg, die Putzfraukommt ja erst übermorgen … ach, und im Jugendkeller hat wieder jemand das Licht brennen lassen, ich muss runter und ausmachen… so, jetzt aber schnell in die Kirche und die Lieder aufgesteckt für die Passionsandacht, denn die Mesnerin ist krank… verflixt! warum sind die Streichhölzer schon wieder weg und wo krieg ich jetzt auf die schnelle neue her? … Du liebe Zeit, und das Geschenkpapier ist auch schon wieder alle und ich muss doch noch den Wein für Kirchenvorsteher Müller einpacken … habe ich eigentlich schon Bier und Limo fürs Gemeindefest bestellt? … herr-jeh, und die Konfirmandenbibeln muss ich noch in der Buchhandlung abholen … und für die Mutter- und Kindgruppe sollte ich doch neue Kindersicherungen für die Steckdosen besorgen – ich seh schon, auch heute finde ich wieder keine Ruhe für meine Predigtvorbereitung …
Überlastungssyndrom und Desinteresse
Eberhard Winkler: „Die geistliche und seelische Situation der deutschen Pfarrer wird durch den Widerspruch belastet, dass sie einerseits unter einem Überlastungssyndrom leiden, weil immer neue und höhere Anforderungen an sie herangetragen werden, und andererseits sich die Mehrheit der Menschen in zunehmendem Maß an ihrer Arbeit desinteressiert zeigt.“ Winkler Eberhard, Artikel Pfarrer II. Evangelisch, in: TRE 26 (1996), 360-374.

“Ich werde ständig gestört …”

Nur selten kann ich längere Zeit über einer Sache bleiben. Dauernd schellt das Telefon. Andauernd will jemand etwas von mir. Ich lebe, was die Vorbereitung meiner Aktivitäten betrifft, ständig von der Hand in den Mund und fühle mich nur unzureichend vorbereitet. Immerfort habe ich tausenderlei
Dinge zu bedenken. Wenn ich bei mir zu Hause bin, bin ich sozusagen immer im Dienst.

PfarrerIn sein heute

Es ist dieses Aufgesplittertwerden in tausenderlei wichtigen, aber auch unwichtigen Alltagsgeschäften, dieses Hin- und Hergerissenwerden zwischen den verschiedensten Erwartungen, dieses nie richtig zur Ruhe kommen können in der fortwährenden Walze mannigfaltiger Verpflichtungen, Wünsche und Begehrlichkeiten, das einen schleichend fertig macht. Die Zerstreuung, der wir in der Außenwelt ausgesetzt sind, wächst langsam in die Innenwelt
hinein und führt dort in einem schleichenden fortwährenden Prozess zum „Verlust der Mitte“, zu Zersplitterung, Zerrissenheit und Dezentrierung.

Der/die zerstreute Pfarrer/in

„Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Knochen haben sich voneinander gelöst; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, und meine Zunge klebt mir am Gaumen.“ Psalm 22, 14-16

Der AD(H)S Pfarrer

Gar nicht so wenige Kolleg/innen kommen heute daher, als hätten sie ein ausgeprägtes “Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom“ (ADS), wenn nicht gar ein „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom“. (ADHS).Sie strahlen eine beunruhigende Nervosität und Hektik aus. Auf ihrer Stirn klebt ein Schild mit der Aufschrift: „Mit mirkannst du über alles reden“. Um ihren Hals hängt unsichtbar jedoch ein zweites, viel größeres, auf dem steht: „Bitte sprich
mich bloß nicht an, Du siehst doch, ich habe keine Zeit und ich kann Dir sowieso nicht helfen.“ Für die Gemeindeglieder ist aber das zweite Schild auch lesbar…

Der/die einsame Pfarrer/in

„Mein Herz ist geschlagen und verdorrt wie Gras, dass ich sogar vergesse, mein Brot zu essen. Mein Gebein klebt an meiner Haut vor Heulen und Seufzen. Ich bin wie die Eule in der Einöde, wie das Käuzchen in den Trümmern. Ich wache und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dache.Denn ich esse Asche wie Brot und mische meinen Trank mit Tränen.“ (Psalm 102)
Zur Belastungsproblematik bei Pfarrer/innen UntersuchungHeyl (2000): schriftliche anonyme Befragung:
Verschickt: 282 Bögen; Rücklauf 194 = 68,7%; 93 Personen gefährdet im Blick auf Burnout (49,5 %); 14 Personen stärker gefährdet (7,5 %); 3 Personen „ausgebrannt“ (1,6 %)
mündliche Befragung: Burnout ist eine ernst zu nehmende Gefährdung. – Viele haben schon eigene Erfahrungen in der Hinsicht. – Leitungsebene schätzt Gefährdung noch höher ein.
Karl-Wilhelm Dahm: Befragung zu Frust und Lust im Pfarrberuf, Dt. Pfrbl. Nr. 5/2005
Frustrationsliste:
Verhältnis zu den Kolleg/innen;
Volkskirchliche traditionelle Erwartungen an die Pfarrer;
Management im Pfarrdienst;
Kontaktfeld mit dem Presbyterium;
Mangelnde Zeit und Energie für die eigene Familie.
Als besonders konfliktträchtig wird auch das Beziehungsfeld zur landeskirchlichen Ebene erlebt. Es ist wie kein anderes mit fast ausschließlich negativen Emotionen besetzt.
Pastorin und Pastor im Norden 2010 (Umfrage Nordelbien)
Zwei Drittel der Befragten sagen, ihre Arbeitsbelastung habe in den letzten fünf Jahren erkennbar zugenommen (Arbeitsverdichtung, ständiger Zeitdruck, hohe Erwartungen, diffuse Aufgabenvielfalt, als entfremdet erlebte Verwaltungstätigkeiten). Nur 54% geben an, ausreichend Schlaf zu
finden; ein gutes Viertel lässt Urlaubstage verfallen.
„Wenn das Gleichgewicht zwischen den Polen Leben und Arbeit nur auf Eigenverantwortung und innerer Selbststeuerung gestellt ist, drohen permanente Unzufriedenheit und Überforderungssyndrome.“

Berufsspezifische Problematik

Den Pfarrberuf wählen in der Regel Menschen, die sehr idealistisch und sehr altruistisch eingestellt sind. Auf der „dunklen“ Seite des Idealismus
finden sich jedoch häufig sog. „innere Antreiber“.Auf der „dunklen Seite des Altruismus findet sich nicht selten der verborgene Wunsch, selbst geliebt zu werden oder auch der Wunsch, Macht auszuüben.

Die narzisstische Kränkung

Schwer zu verkraften sind die Anfechtungen und narzisstischen Kränkungen, die aus der schwindenden Kirchlichkeit der Bevölkerung resultieren.Was ich mache und wofür ich stehe, interessiert immer weniger Menschen.
„Die Pflege der persönlichen Frömmigkeit ist für Pfarrer/innen wichtig“ – „aber ich finde weder Zeit noch Ruhe dazu“.
Weil PfarrerInnen permanent professionell mit zentralen Glaubensinhalten umzugehen haben, ist die Gefahr groß, dass es bei ihnen zu routinehaften Einstellungen und Abläufen kommt, dass sie sich innerlich immer mehr dem „entfremden“ was sie beruflich zu tun und zu sagen haben.
Klaus Winkler spricht von einer „schleichenden Aushöhlung des Symbolerlebens“, die die PfarrerInnen immer mehr an der Relevanz und Stimmigkeit dessen zweifeln lässt, was sie beruflich verkündigen und tun. Winkler Klaus, Die Gefahr innerer und äußerer Emigration aus dem Dienst als praktisch-theologisches Problem, in: WuD25/1999, 371-383. 374f.

Wenn sie dir zu nahe kommen …der Verlust persönlicher Grenzen

„Das Pfarramt ist gekennzeichnet durch seine einzigartige Ethik der Fürsorge und deshalb für Menschen attraktiv, welche aus Familien stammen, in denen sich entsprechende Motivationen oft über Generationen entwickelt haben. Sie bringen aus dieser Geschichte eine reiche Mitgift in die Seelsorge: Altruismus, Empathie, die Fähigkeit, Befriedigung aufzuschieben, intuitive Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit für die Bedürfnisse anderer und ein starkes Engagement für ihre Ideale. Ohne dies ist der Pfarrdienst nicht möglich. Damit sind aber die unvermeidlichen Gegenseiten eng verbunden: der Verlust persönlicher Grenzen, Schuldgefühle, die Vernachlässigung der eigenen Person und der Bedürfnisse der Familie und ein stilles
Ressentiment, das dort zu gären beginnt, wo ein Mensch merkt, dass er genau durch das ausgebeutet wird, wofür er sich besonders einsetzt.“
(Christian Morgenthaler, Systemische Seelsorge, Stuttgart 2000, 107f.)
Wohin mit meiner Wut?
Die Kirche repräsentiert für viele die „Lebenswelt der netten Menschen“. Hier findet man immer Verständnis, hier wird einem immer irgendwie geholfen. Nicht nur Klienten denken so, manchmal unterschwellig auch Professionelle. Das schlimmste, was in der Welt der netten Menschen passieren
kann, ist Aggression. Manfred Josuttis: „Die soziale Kastration, die zur Lebenswelt der netten Menschen gehört, betrifft nicht nur den Bereich der
Sexualität… . Viel gravierender ist die Unterdrückung von aggressiven Regungen, die in einem solchen sozialen Klima verlangt wird. Man darf nie seine Wut herauslassen. Man muss alle in allen Lagen verstehen. Man muss zu allen gleich freundlich sein. Man darf niemals nein sagen! Wer solche ungeschriebenen Verhaltensgesetze wirklich ernst nimmt, wird im Kern seiner personalen Existenz deformiert.“
Permanent unterdrückte oder verleugnete Aggression konvertiert zur Autoaggression. Sie wendet sich gegen einen selbst. Sie verursacht früher oder später körperliche und seelische Symptome.
Kooperationskrisen (Berufung – Rufmord – Abberufung)
Hartmut Stoll, der ehemalige Leiter von Haus Respiratio schreibt in seinem Abschlussbericht: Es „vergeht kaum ein Kurs, in dem nicht einer oder mehrere unserer Gäste in einen sehr zugespitzten Konflikt in der Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand oder Kirchengemeinderat, mit Kollegen, Kolleginnen oder Vorgesetzten verwickelt sind. Nach meiner Wahrnehmung werden solche Konflikte häufiger und nehmen auch massivere Formen
an. Nicht selten hat sich für die betroffenen Gäste der Konflikt als so belastend und ausweglos entwickelt, dass nur noch eine Alles-oder-Nichts-Lösung in Frage zu kommen scheint, das heißt in der Regel: Stellenverlust für den betroffenen kirchlichen Mitarbeiter und unter Umständen drohender Wartestand. Aus der Seelenfinsternis ans Licht. Rückblick auf sechs Jahre „Respiratio“, in:Nachrichten d. ELKB Nr. 7, Juli 2000, 211-214, 211f.
Burnout
„Burnout” 1999: 2.930 x bei Google:
  • 2004: 49.400 x
  • 2006: 15.700.000 x
  • 2007: 23.800.000 x
  • 2008: 24.000.000 x
  • 2009: 19.400.000 x
  • 2010: 13.800.000 x

Oh, du mein Mäntelchen
Bei aller Beschäftigung mit „Burnout” muss aber auch das offen gesagt werden: Nicht alles, was als „Burnoutsyndrom” daher kommt, muss auch wirklich eines sein. Nicht selten ist es bloß das Mäntelchen, mit dem sich die Faulheit oder die Unfähigkeit schmückt.
Wie ein Kessel ohne Wasser
Ich war wie ein Kessel auf dem Feuer. Aber eines Tages war das Wasser verkocht. Nur: Der Kessel stand noch immer auf dem Feuer…
Burnout: Prozess
Als „Burnoutsyndrom“ bezeichnet man: einen schleichenden Prozess, körperlicher Erschöpfung und seelischer Ermüdung, zunehmender negativer Selbsteinschätzung und progressiver Demotivierung, in welchen vor allem besonders idealistische,  engagierte und aufopferungsbereite Menschen hineingezogen werden und der zum Verlust von Souveränität und Selbstvertrauen, zu wachsendem Widerwillen gegen die Tätigkeit und zu immer stärkerer Abneigung gegen die einem anvertrauten Menschen führt.

Mehr als ein individuelles „Problem“

Burnout entsteht durch ein negatives Zusammenwirken von individuellen und strukturellen Bedingungen. Burnout ist durchaus nicht nur ein „Anpassungsproblem“ des Betroffenen. Es ist mindestens ebenso sehr ein Problem des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat die unternehmensbedingten Belastungsfaktoren zu analysieren und dann zu minimieren: Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastung, Unternehmenskultur,
Betriebskli ma, Führungsstil etc. Er ist dafür verantwortlich, dass Burnout verursachende Arbeitsbedingungen verändert werden und hat dafür zu sorgen, dass Arbeit in seinem Betrieb nicht krank macht.
Sich schützen …auf sich achten
Grundelemente einer professionellen Hygiene im geistlichen Amt.

Gott braucht keine Helden

Er braucht Menschen, die bereit und auf dem Wege sind, sich mit ihrem „Schatten“ auszusöhnen und sich und andere anzunehmen in ihrer Verletzlichkeit, Bedürftigkeit, Fehlerhaftigkeit und Fragmenthaftigkeit, weil sie hoffen und darauf vertrauen, dass sie selbst und die anderen in
all dem angenommen sind durch den, der sie geschaffen hat. Er braucht auch keine „Macher”. Er braucht Menschen, die stille sein und zu -
hören können. Er braucht Menschen, die den Stress nicht erhöhen, sondern Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen. Menschen, denen man schon ein wenig abspürt von der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes”.
„The wounded healer” (Henri Nouwen)
Wie gehe ich um mit meiner Lebenszeit
Ora et labora Zeit für meine Lebenserhaltung (essen, trinken, schlafen, Körperpflege, Bewegung etc.). Zeit für meine Lieben, Freunde, Bekannte Zeit für andere (Arbeit, Hilfeleistungen, Vereine etc.). Zeit für mich (Entspannung, Hobby, lesen,TV/Kino etc.). Zeit für Gott (mein spirituelles Leben, Meditation, Gebet etc.). Was kann nur ich einbringen in das große Spiel des Lebens?

„Innere Antreiber“ und irrationale Überzeugungen

Meine Arbeit ist mein Leben.
In meinem Beruf muss ich uneingeschränkt kompetent sein.
Ich darf mir keine Fehler erlauben.
Ich darf mir keine Schwäche erlauben.
Ich bin nur wertvoll, wenn ich kompetent, tüchtig und leistungsfähig bin.
Sei immer der Erste!
Sei immer perfekt!
Mach immer schnell!
Streng dich immer an!
Mach es immer allen recht!
Gottesbilder
Gott ist der strenge Herr/Vater, der verlangt und fordert (Drohgott).
Gott sieht alles, was ich tue und rede (Spion- bzw. Stasi-Gott).
Gott ist der Richter, der be- und verurteilt (Richtergott).
Gott präsentiert uns am Ende die Rechnung für unsere Taten (Buchhaltergott).
Und wenn ihr alles getan habt, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte (Leistungsgott)
Nein! Gott ist wie der Vater des verlorenen Sohnes.

Eine Kultur der Wertschätzung entwickeln

Einfühlendes Verstehen; Achten, Wärme, Sorgen; Echtsein, ohne Fassade sein. „Wahrnehmen und Annehmen“. Ich sehe, was die anderen tun und gebe ihnen meine Anerkennung und Wertschätzung. Ich helfe anderen, wenn sie das brauchen und ich es kann. Ich erwarte von den anderen, dass sie sehen, was ich tue und dass sie mir ihre Wertschätzung geben. Ich bitte um Hilfe und nehme sie an, wenn ich sie brauche.

„Flow“ – im Fluss sein …glücklich sein“

Flow“ erleben Menschen, wenn sie in einer Tätigkeit aufgehen, darin Zeit und Raum und vor allem sich selbst vergessen (z.B. beim Spielen eines Musikinstrumentes, bei sportlichen Aktivitäten, während einer Schachpartie, beim Liebesspiel etc.). In den „Flow“-Episoden tankt die Seele
am intensivsten neue Kraft. In der Woche wenigstens zwei- oder dreimal „Flow“ zu erleben, täte uns an Leib und Seele gut.

Meditation und Bewegung
„Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion” („Mind ful based stress reduction” (MBSR)” Stressreduktion durch (Achtsamkeits-) Meditation: „Pulsschlag 60”. Täglich 20 bis 30 Minuten „sitzen und atmen“. Nichts tun, nichts denken, einfach nur den Atem spüren. Die Konzentration auf den Atem evtl. auch
mit einem Bibelwort oder Gebetsruf verbinden (vgl. z.B. das Herzensgebet der Ostkirche). Stressreduktion durch Bewegung: „Pulsschlag
130” drei bis fünfmal in der Woche eine Stunde forcierte Bewegung (walken, schwimmen, radfahren, joggen etc.).
.
Professionelle Hygieneregeln beachten
Mir eine/n Supervisor/in und eine/n „Spiritual/ in“ suchen.
Mit mir selbst liebevoll und gnädig umgehen (wie Gott mit mir).
Stille Zeiten und freie Tage hüten wie meinen Augapfel.
Gegenüber der Gemeinde den Grundsatz der „distanzierten Anteilnahme“ beachten („Detached Concern“).
Aggressive und problematische Menschen möglichst meiden.
Schreiräume und Punchingbälle.
Auf kompetenter Personalpolitik und Personalführung seitens der Unternehmensleitung bestehen.

Strukturelle Burnoutvorsorge

Sie ist fast noch wichtiger als die individuelle…
Der Arbeitgeber hat die unternehmensbedingten Belastungsfaktoren zu analysieren und dann zu minimieren. Es betrifft: Arbeitsbedingungen,
Arbeitsbelastung, Unternehmenskultur, Betriebsklima, Führungs stil etc. Er ist dafür verantwortlich, dass burnoutgenerierende Arbeitsbedingungen
verändert werden und hat dafür zu sorgen, dass Arbeit in seinem Betrieb nicht krank macht.
Burnout vermeiden – berufliche Zufriedenheit fördern
Die motivierte und zufriedene Belegschaft ist das größte Kapital des Unternehmens. Elementar für die Motivation ist das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, das Erleben von Anerkennung und Wertschätzung sowie das Gefühl, in einer tragenden Gemeinschaft aufgehoben zu sein. (corporate identity, communio sanctorum, mutua consolatio fratrum et sororum).

Strukturelle Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Zufriedenheit und Arbeitsfreude im kirchlichen Bereich:

Ausreichende, kompetente Berufsberatung und Eignungsdiagnostik vor Studienbeginn und im Vikariat. Ausrichtung von Aus- und Weiterbildung auf die Anforderungen der Praxis (Kommunikationspsychologie, Konfliktmanagement, Leitungskompetenz, Arbeitshygiene etc.). Veränderung von Burnoutgenerierenden Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit und Arbeitsbelastung, Gemeindetyp, Teamsituation, Wohnsituation, Freizeitregelung etc.).
Institutionalisierung von kostenloser Supervision, geistlicher Begleitung und Seelsorge für Seelsorger/innen, Förderung von Maßnahmen zur Überlastungsprävention. Sensibilisierung von Mitarbeitenden und Vorgesetzten für die Dynamik von Krisenphänomenen. Auf- und Ausbau von Kriseninterventionskapazitäten (Respiratio reicht nicht aus).

Nicht sparen durch Personalabbau bei gleichbleibender Arbeitsmenge.

Konzeption einer mitarbeiter- und mitgliederfreundlichen Kirche von morgen entwickeln. Menschliche statt heldenhafte Kirche.
Zwei freie Tage für Pfarrer/innen / Verpflichtung, den Urlaub zu nehmen. Pro Dekanat ein „Spiritual”. „Oasentage” – Oasenwoche – Exerzitien.
„Wenn eine LK die Stellen stark herunterfährt, bei gleichbleibender Gemeindegliederzahl, dann muss sie sich nicht wundern. Es ist betriebswirtschaftlicher Unsinn, solche Situation weiterlaufen zu lassen“.


Dr. Andreas von Heyl geb. 1952 in Bad Ems, aufgewachsen in Bad Tölz. Studium der evang. Theologie in Neuendettelsau, Bethel und München. Von 1976 bis 2001 tätig als Pfarrer in verschiedenen Gemeinden Bayerns und in der Klinikseelsorge. Ab 2001 Krankenhauspfarrer in Göppingen. 1992 Promotion mit einer Arbeit über die Kritische Theorie der Frankfurter Schule. 2003 Habilitation mit einer Arbeit über die Realität und Prävention des Burnout-Syndroms bei Pfarrer/innen. Zusatzausbildungen in KSA und prozessorientierter Psychologie. Privatdozent für Praktische Theologie an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau (Schwerpunkt: Pastoralpsychologie und Theorie des Gesundheitswesens). 2006 Abschluss der Ausbildung zum „Geistlichen Begleiter“ am Institut für theologische und pastorale Fortbildung der katholischen Kirche in Freising. Seit März 2008 Leiter der „Fortbildung in den ersten Amtsjahren” in der ELKB.

Pfarrer, Pfarrin, Pfarrberuf 

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