Theater Bus in Chile

Ein tolles Projekt bei dem auch ein Bekannter dabei ist. Hier der Bericht aus condor.cl

«Wir sind ein Teil vom Armenviertel»

Diane Catani und Montserrat Roman (links) und Michelle Meneses: Die neunjährigen Mädchen besuchen seit zwei Jahren die von der Luxemburgerin gegründete Theaterschule.
Diane Catani und Montserrat Roman (links) und Michelle Meneses: Die neunjährigen Mädchen besuchen seit zwei Jahren die von der Luxemburgerin gegründete Theaterschule.

Diane Catani kam vor zehn Jahren nach Chile, um ihren Traum zu verwirklichen: Theaterkurse für Kinder in Armenvierteln, den chilenischen Poblaciones, anzubieten. Inzwischen machen bei Teatro Bus in Quinta Bella zehn Mitarbeiter und 30 Kinder mit. Die gebürtige Luxemburgerin finanziert die Theaterworkshops fast ausschließlich durch Spenden aus ihrer Heimat.

Von Silvia Kählert
Wie kommt eine junge Frau aus Luxemburg, dem reichsten Land Europas, ins Armenviertel in Santiago? «Als katholische Pfadfinderin war ich mit 18 Jahren das erste Mal in Recoleta. Damals habe ich schon mein Herz an Chile verloren», beginnt Diane aufgeschlossen ihre Lebensgeschichte zu erzählen. «Wir bauten einen Spielplatz vor dem Krankenhaus der Stiftung Cristo Vive auf. Viele Freundschaften mit Chilenen entstanden, die bis heute andauern.»
Gleich nach dem Abitur zog es die Zwanzigjährige wieder nach Chile: Sie machte ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Quinta Bella. Ihre Aufgabe war es, den Kindern nach der Schule bei den Hausarbeiten zu helfen. Damals lernte sie ihren chilenischen Mann kennen, der später mit ihr nach Deutschland zog. Nach dem FSJ absolvierte sie in Freiburg im Breisgau ein Sozialpädagogikstudium. Hier entdeckte sie nach Chile ihre zweite große Leidenschaft: die Theaterpädagogik für Kinder. Nach Studienabschluss trat sie zunächst ihre erste Stelle in einem Mutter-Kind-Heim bei Basel an.

Für den großen Traum ab nach Chile

«Vor zehn Jahren bekam ich dann eine Krise.» Die Luxemburgerin erklärt: «2008 feierte ich meinen 30. Geburtstag – und immer noch hatte sich mein großer Traum nicht erfüllt.» Im gleichen Jahr bot ihr die Musikschule Escuela Popular de Artes in der Población Achupallas von Viña del Mar eine Stelle an. Das war für Diane das Zeichen zum Aufbruch: «Ich brach quasi Hals über Kopf meine Zelte in Deutschland ab und zog mit meinem Mann und unserer ein Jahr alten Tochter an den Pazifik.»
Nach einigen Monaten stellte sie allerdings fest, dass bei dieser Stelle die Theaterpädagogik zu kurz kam. Auch ihr aus Santiago gebürtiger Mann wollte lieber wieder in die Hauptstadt zurück. Nach dem Umzug begann die Pädagogin zunächst an der Schweizer Schule Theaterkurse zu geben.
Auch die vier in ihrer Heimat gelernten Fremdsprachen kamen ihr nun zu Gute: Sie gab Deutsch- und Französischnachhilfe. Dennoch war die hartnäckige Frau nicht zufrieden: «Nach einem Jahr in Chile war ich immer noch nicht da, wo ich sein wollte.» Zufällig wurden die Räume des Kulturzentrums in Quinta Bella frei. «Ich packte die Gelegenheit beim Schopf», berichtet Diane. Sie bot während der Sommerferien im Januar 2010 den ersten kostenlosen Theaterworkshop an. 15 Kinder nahmen teil. Nach der Schlussaufführung der eingeübten Sketche fragten Eltern und Kinder: «Und wie geht es nun weiter?» Das war der Startschuss für ihr Projekt Teatro Bus in der Calle Karoline Mayer.

Teatro Bus für Kinder in Quinta Bella

Das Besondere ihrer Arbeit erklärt die Wahlchilenin so: «Wir sind ein Teil vom Armenviertel. Im Gegensatz zu den Theaterkursen bei der Municipalidad von Recoleta kümmern wir uns auch um die Lebensumstände der Familien.» Wenn ein Kind nicht zum Kurs kommt, dann geht sie zu dem Haus der Eltern. Sie erfährt auch, wenn ein Kind geschlagen wird. Dies sei die Realität hier, stellt Diane resigniert fest: «Ein großer Teil der Kinder in Quinta Bella wächst in sehr armen Verhältnissen auf und erlebt Gewalt tagtäglich. Der Konsum von Alkohol oder Drogen ist in vielen Familien Alltag. Besonders gefährlich ist Pasta Base. Dieses Abfallprodukt bei der Kokainherstellung macht stark abhängig.»
Diane erlebte selber eine tragische Erfahrung in ihrer Familie: «Mein älterer Bruder geriet als Jugendlicher nach und nach in die Fänge der Drogen und wurde heroinabhängig. Mit 26 Jahren beging er Selbstmord.» Lange habe sie nur unter Tränen darüber sprechen können: «Hilfe von außen ist eben nicht immer möglich.»

Friedlicher Umgang und Kreativität

Gerade darin liege der Sinn der Theaterworkshops, hebt Diane hervor: «Hier erleben die Kinder, dass ein friedlicher Umgang miteinander ohne Gewalt möglich ist. In diesem geschützten Raum können sie Kreativität und ein gutes Miteinander entwickeln.» Seit diesem Jahr gibt es darum zusätzlich einen Psychodrama-Workshop. Der Psychologe Nicolás Contreras nutzt Theater als Therapie für die Kinder.
Außerdem freut sich die Theaterchefin, dass Vilma Orellana, eine engagierte Mutter, dieses Jahr Vorsitzende des neu gegründeten Centro de Padres für Teatro Bus wurde: «Nur wenn wir die Eltern in unsere Arbeit miteinbeziehen, sind sie bereit ihre Kinder zu unterstützen. Und sei es auch nur, dass sie die Aufführungstermine nicht verpassen. Oder dass sie kleine Spenden zu Verkaufsaktionen beitragen. Oft reicht es gerade mal für ein Paket Zucker.» Nach den Kursen gibt es ein gemeinsames Abendessen mit Broten. «Manche Kinder haben wirklich Hunger, wenn sie hierher kommen», hat Diane beobachtet.
Zurzeit bereiten die zwei Theaterlehrer ein Stück zum Thema Integration vor. Auch unter den 30 Kindern gibt es drei aus Peru und ein Mädchen aus Haiti. Möglichst viele sollen bei dem Stück mitmachen: «Wir haben drei Workshops. Es sind die Sechs- bis Achtjährigen, die Neun- bis Zwölfjährigen und eine dritte Gruppe von Jugendlichen bis 16 Jahren.» Im Dezember wird das Stück «Martin libre por fin» aufgeführt: Es geht um einen eingesperrten Vogel, der die Freiheit sucht und dabei auf die Solidarität der anderen Vögel angewiesen ist.

Spenden sammeln in Luxemburg

«Teatro Bus kann nur aufgrund meiner Kontakte in Luxemburg existieren», erklärt Diane und betont. «Mir ist ganz wichtig, dass alle Mitarbeiter ein würdiges Gehalt bekommen, wenn auch nur ein kleines. Denn sie arbeiten in ihren Berufen und müssen auch von etwas leben. Genauso wichtig ist es mir, dass die Theaterworkshops für die Familien gratis sind.» Eine Summe von circa 30.000 Euro deckt die Ausgaben für ein Jahr.
Nur ganz gering waren bisher die Fördermittel vom chilenischen Staat, da sie von einem sehr komplizierten Wettbewerbssystem abhängen. Eine neue Idee ist nun, chilenische Unternehmen oder Privatpersonen zu finden, die als Paten den Kindern Kurse finanzieren.
Bis das klappt, fährt aber die engagierte Vierzigjährige weiter einmal jährlich für zwei Monate in ihre Heimat. Dann hält ihr seit 2011 neuer Partner, der Theaterlehrer Enri Díaz Vallejos, mit dem Team in Quinta Bella die Stellung. Gemeinsam haben sie mit der elfjährigen Lara und dem sechsjährigen Noah eine neue Familie gegründet.
In Luxemburg trifft sie alle Freunde und Vereine, die ihre Arbeit unterstützen. Dieses Netzwerk sorgte 2017 auch für den Kauf des lang ersehnten richtigen Theaterbuses: Damit können die Kinder ihre Stücke nun auf verschiedenen Plätzen der Población aufführen.
«Uns fehlt allerdings ein Probenraum mit Bühne», bedauert Diane Catani. Daher hat die Luxemburgerin immer noch einen großen Traum: «Der Bau eines Theaters mitten in Quinta Bella.»
Wer das Projekt unterstützen möchte, kann für den als gemeinnützig anerkannten Verein Teatro Bus spenden an:
Banco Estado
Corporación Cultural Teatro Bus
Rut: 65.097.903-6
Chequera electrónica nr: 277-7-006708-7
Mail: teatrobus.chile@gmail.com
Auf der Website www.teatrobus-chile.com sind auch Links zu kurzen Filmen über die Arbeit des Theaterteams mit den Kindern.

Chile, Theater Jorge Cristo Vive Karolina

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