Es tut mir leid

Interessanter Artikel in Crimson, dort noch 2 weitere Geschichten.

"Klärt das, bevor ihr schlafen geht!"

Meine Großeltern hatten nie Streit. Jedenfalls nie, wenn ich in den Ferien bei ihnen war. Sie hatten sich einen Schrebergarten in Kiel gepachtet, Opa sollte bald in Rente gehen. Eines Abends müssen sie doch gestritten haben. Ich weiß bis heute nicht, worum es ging.

Am nächsten Morgen ging Opa zur Werft. Und meine Oma ging einkaufen. Sie lebten in einem Reihenhaus. Als Oma zurückkam, sah die Nachbarin, dass es ihr nicht gut ging. Sie half ihr ins Haus. Als Opa von der Arbeit kam, lag Oma tot auf dem Sofa, mit 57!

Damals war ich elf Jahre alt, und ich erinnere mich, dass Opa danach oft bei uns war. Und dass er einmal plötzlich anfing, bitterlich zu weinen. Ich wusste aber nicht, warum. Kurz bevor meine Frau und ich heirateten, viele Jahre später, sagte er: „Wenn ihr Streit habt, dann seht zu, dass ihr das geregelt bekommt, bevor ihr zu Bett geht!“ Er hat die Geschichte nur dieses eine Mal angesprochen, aber er war dabei so klar und deutlich, dass ich es weiß, als wäre es gestern gewesen.

Mein Opa starb 1992. Ich bin sicher, dass auch mein Vater von ihm den Rat bekommen hatte, nie einen Streit zu verschleppen. Seinem anderen Sohn, meinem Onkel, wird Opa auch erzählt haben, wie traurig er war, dass er sich nicht mehr mit Oma hatte vertragen können. Aber nun bekamen seine Söhne Streit miteinander. Mein Onkel hatte ein großes Erbe erwartet. Aber dann war da nur ein niedriger fünfstelliger D-Mark-Betrag, wenn überhaupt. Mein Vater hatte Opas Geld zum Teil für dessen Pflege verwendet – er lebte die letzten Jahre hier bei uns, während mein Onkel ein Haus baute. Mein Vater sagte zu seinem Bruder: „Wir hätten Vater auch ins Heim bringen können, aber dann hättest du dein Haus nicht weiterbauen können, so teuer wäre das geworden.“
Die beiden Geschwister hatten früher ein super Verhältnis, sie besuchten sich, sie halfen sich, seit ich denken kann. Aber als Opa gestorben war, brach der Kontakt ab. Auch ich habe meinen Onkel nicht mehr gesehen. Als wir mit unserem Fotoladen Geschäftseröffnung feierten, luden wir ihn ein – keine Reaktion. Ich fragte meinen ­Vater, was er machen würde, wenn der Onkel vor der Tür steht. Er sagte: „Wenn er sich entschuldigt, kann er gern rein­kommen!“ Aber ich mache meinem Onkel keinen Vorwurf, das sind beides Sturköpfe. Das liegt bei uns in der Familie. Da wird irgendwann mal ein Wort das andere er­geben haben, und danach war jeder zu stolz, das Gespräch zu suchen.

2009 hatte mein Vater einen Schlaganfall. Den steckte er gut weg, aber 2012 folgte der nächste. Er lag im Krankenhaus und spürte, dass er bald sterben würde. Ich hatte den Eindruck, dass ihn etwas be­las­tet. Also fragte ich ihn, ob wir uns bei seinem Bruder melden sollten. Und genau das war sein Wunsch! Meine Schwester rief meinen Onkel an und sagte: „Papa geht es nicht gut, er würde dich gern sehen, willst du kommen?“ Mein Onkel bat um Bedenkzeit. Zwei Tage später rief er zurück und sagte, dass er nicht kommen möchte. Eine Woche später ist Vater gestorben. Ich saß neben ihm, als die Maschinen abgestellt wurden. Meine Schwester rief wieder bei meinem Onkel an. Sie hörte, dass er den Hörer auf den Tisch legte, schluchzte und wegging. Dann war Stille, bis jemand kam und auflegte.

Für mich ist das, was meinem Opa und meinem Vater passiert ist, eine große Lehre. Man muss auch mal vergessen können! Wenn wir uns zu Hause mal in die Haare kriegen, versuchen wir, das Problem schnell auszuräumen. Nicht so stur sein, sondern reden! Sonst ist es irgendwann zu spät.

Exgüsi, Es tut mir leid, Entschuldigung

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